Der vorliegende Text schlägt eine Rezeption der Weberschen Soziologie vor, der zufolge sich der Webersche Kulturbegriff als systemtheoretischer Gesellschaftsbegriff lesen lässt. Entscheidende Argumente dafür finden sich in der relativistischen Anlage der Weberschen Studien, die den Befund der Vergleichbarkeit nicht als Hinweis auf Integrationsbedürfnisse lesen, sondern auf evolutionäre Unterschiede, die Eigengesetzlichkeiten betonen. Eine solchermaßen angelegte Differenzierungstheorie betont Unterschiede, ohne diese von vornherein als gesellschaftliche Plausibilität zu interpretieren. Die Plausibilitätsprüfung unterschiedlicher Rationalitäten findet stattdessen bei Weber über die Darstellung vonethoi statt. Ethoi lassen sich aus dieser Perspektive als (soziologische) Produktion von guten Motiven lesen, die jedoch gleichzeitig auch die schlechten Motive mitherstellen. Mit Nikolas Rose lässt sich diese Vorgehensweise als ein Verfahren desethicalizing authority entschlüsseln, in dessen Verlauf eine psychologisch betreute Motivproduktion als entscheidender Inklusionsmechanismus traditionelle Autoritäten (Persönlichkeit) ablöst. Insofern hat der Webersche Kulturbegriff Folgen, die wir systemtheoretisch als Ethisierung der Kultur bzw. Kulturalisierung der Ethik beschreiben würden: Eine konsequent relativistische Lesart der Differenzierungstheorie — eben dies hat Weber mit Hilfe seines evolutionstheoretischen Arguments ermöglicht — verlagert Integrationsprobleme auf die Ebene der Anerkennung von Kulturen.
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