Abstract: | Tief greifende Veränderungen wie der demographische Wandel, zunehmende Frauenerwerbstätigkeit, wachsende Beschäftigungsprobleme gering Qualifizierter sowie die ethnisch-kulturelle Heterogenisierung als Resultat von Migrationsprozessen setzen die Sozialpolitik europäischer Gesellschaften zunehmend unter Veränderungsdruck. Welche politischen Maßnahmen ergriffen werden, bestimmt sich daraus, was politische Eliten für geboten erachten und einflussreiche Verbände und Wähler für akzeptabel halten. Die Analyse des jüngsten Wandels der Sozialpolitik in den Mitgliedstaaten der EU zeigt, dass die Ausdehnung traditioneller sozialpolitischer Programme zwar zu Beginn der 90er Jahre ihren Höhe- und Wendepunkt erreicht hat, dass Umstrukturierungen der Leistungs- und Finanzierungsstruktur des Sozialstaats sich bislang aber in engen Grenzen hielten. Die aktuelle Suche nach einem neuen Dritten Weg zwischen liberaler angelsächsischer Wachstumspolitik und sozialdemokratischer europäischer Arbeits- und Sozialpolitik ist von einer erheblichen Ambivalenz gekennzeichnet. Geht es einerseits darum, die Formierung einer Unterklasse durch die möglichst breite Integration gering Qualifizierter in den Arbeitsmarkt zu verhindern, so sind andererseits mit der Verpflichtung zur Eigenverantwortung und Arbeitsaufnahme auch disziplinierende und repressive Elemente verbunden. Die Anpassung des Sozialstaats an gesellschaftliche Veränderungen besteht insofern keineswegs ausschließlich in seiner Flexibilisierung im Sinne des Abrückens von Normalitätsfiktionen, sondern auch in der Durchsetzung von Standards des Wohlverhaltens, die in ethnisch-kulturell heterogenisierten Gesellschaften als Fremdkontrollen an die Stelle weniger allgemeiner Selbstkontrollen treten. |